Handlungsoptionen für (Soziale) Medien und Plattformen

Die Dynamiken sozialer Medien in Radikalisierungs- und Mobilisierungsprozessen war ein zentraler Fokus des PANDORA-Projekts. Ein wesentlicher Aspekt sind hierbei Verstärkereffekte, die sich an den Schnittstellen zwischen traditioneller Medienberichterstattung, realweltlicher sozialer Dynamiken und (teils transnationaler, aber oft auch lokaler) digitaler Haßkampagnen beobachten lassen.

IFSH Policy Brief 03/2020

IFSH Brief
Fielitz, Maik 2020: Don't Feed the Right: Zum medialen Umgang mit digitalen Hasskampagnen. IFSH Policy Brief 03/20. Download

Die Komplexität der Interaktionseffekte zwischen Dynamiken in den sozialen und den traditionellen Medien muss sich in der Vielfalt der Gegenmaßnahmen niederschlagen, tradierte Handlungs- und Kommunikationsmuster bspw. von Medienschaffenden müssen hinterfragt werden, betonen Maik Fielitz und Holger Marcks im folgenden Film-Clip:

Handlungsempfehlungen zum medialen Umgang mit Hasskampagnen

Medienschaffende sollten in ihrer Berichterstattung über digitale Hasskampagnen gezielt darauf achten, dass sie a) Desinformationen und Manipulationsversuchen entgegentreten, b) einem aufgeklärten und faktenbasierten Diskurs dienen, sodass es c) rechtsextremen Akteuren weniger gelingt, durch digitale Attacken vulnerable Gruppen und Einzelpersonen zu belästigen und anzugreifen. Dazu zählt zunächst genau abzuwägen, ab wann ein Ereignis oder Diskurs berichtenswert ist. Im wettbewerbsintensiven Medienbetrieb wird diese Entscheidung nicht selten auf Grundlage des Skandalisierungspotenzials getroffen. Dies ist rechten Akteur*innen bewusst. Sie spielen mit den Medien, indem ihre Aktionen und Äußerungen stetig Konventionen überschreiten, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und das Spektrum des Sag- und Machbaren zu erweitern.

Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass Diskurse im Internet nicht die Realität abbilden. Rechtsextreme Hasskampagnen bedienen sich einer Reihe manipulativer Strategien, die die Wahrnehmung verzerren. So legen Rechtsextreme häufig falsche Nutzerkonten an, um ihre eigenen Narrative als öffentliche Meinung oder gar gesunden Menschenverstand darzustellen. Weiterhin wird oft auf eine (scheinbar) ironische und humoristische Weise kommuniziert, die es schwer macht, die wahren Beweggründe und Überzeugungen ihrer Urheber*innen zu erkennen.

Diese ausgeklügelten Medienstrategien gilt es neben den folgenden Handlungsempfehlungen zu bedenken:

  • Einzelne Kampagnen sollten als gezielte Desinformation und Manipulation demaskiert werden. Ihre Forderungen sind zumeist weder neu noch besonders kreativ. Es gilt, Muster zu erkennen und die Hintergründe der Kampagnen zu durchschauen.
  • Direkte Zitate von rechtsalternativen Akteur*innen sollten ebenso wie das Verlinken auf rechtsalternative Webseiten tunlichst vermieden werden. Vielmehr sollten Inhalte paraphrasiert und Selbstinszenierungen ignoriert werden.
  • Medien sollten gezielt erläutern, wie die Verstärkereffekte der sozialen Medien funktionieren und Plattformbetreiber auf ihre Verantwortung aufmerksam machen.
  • Rechtsextreme Inhalte sollten auf keinen Fall entpolitisiert werden, indem ihre Verbreiter*innen als besorgte Bürger dargestellt werden.
  • Medienschaffende sollten sich nie von Akteur*innen rechter Hasskampagnen dazu verpflichtet fühlen, sich zu rechtfertigen oder Erklärungen abzugeben. Solche Reaktionen sind ausgemachte Etappenziele in Hasskampagnen.
  • Redaktionen sollten den Mut haben, Hasskampagnen ins Leere laufen zu lassen. Das verkürzt die Lebensdauer dieser Kampagnen, weil durch die fehlende Resonanz weitaus weniger Menschen mobilisiert werden.
  • Journalist*innen sollten durch Chefredaktionen und Intendant*innen geschützt werden. Die Isolierung von Einzelpersonen sowie die Spaltung von Redaktionen ist ein zentrales Ziel von Hasskampagnen.

Wie etablierte Medien mit Hasskampagnen umgehen entscheidet darüber, ob diese Kampagnen verfangen oder scheitern. Neben dem Wissen über rechtsextreme Digitalstrategien ist aber vor allem eines wichtig: Haltung.